Ratiborer, Warschauer, Posener Impressionen - 03.-11. Oktober 2014

Freitag, 03. Oktober

 

...kurz nach 05:30 Uhr. – Völlige Dunkelheit, schnaufende Männer wuchten schwere Koffer heran, Rollis klappern über den Bürgersteig, Gedränge am Bus, flüchtige Begrüßungen,... langsam finden alle den Weg in die verlassene Kirche.

 

Pastor Niekämper erteilt uns den Reisesegen und wünscht ein gutes Gelingen für unsere Fahrt nach Ratibor und später Warschau und Posen. Dann verabschieden wir uns, drängen in den Bus, winken in die Dunkelheit zurück..., und Ilse Krisam kann es einfach nicht fassen, dass dieser „Jüngling“ unser Fahrer sein soll, aber Nico fährt dennoch los.

 

Die Fahrt verläuft zügig, gegen Mittag steigt Petra Scharf als Letzte in Leipzig zu, wir überqueren die Grenze, fahren bei herrlichem Sonnenschein in Polen in einen mächtig langen Stau, so dass wir erst mit gehöriger Verspätung in Ratibor eintreffen.

 

Im Restaurant am Rynek heißt uns Pfarrer Kurowski herzlich willkommen, wir essen gemeinsam mit unseren Gastgebern zu Abend, werden freundlich auch von Daniela Gorgosch mit

Gesangsdarbietungen begrüßt und brechen dann in unsere Quartiere auf. In manchen Familien soll es noch spät, besser früh, geworden sein.

 

Samstag, 04. Oktober

 

Pünktlich um 09:00 Uhr startet unser Bus, jetzt bis auf den letzten Platz besetzt, da viele unserer Ratiborer Freunde an Bord sind, zum Annaberg. Unterwegs informiert uns Dr. Peter Sput über die historische Bedeutung dieser Region, die Anfang der 1920iger Jahre erschüttert wurde durch die Oberschlesischen Aufstände, in denen sich die Polen gegen die Abtretung des Gebietes an das Deutsche Reich zumindest mit Teilerfolgen erhoben hatten. In der Basilika auf dem Annaberg feiern wir gemeinsam Eucharistie und beten für eine Verständigung zwischen unseren Nachbarn Polen und uns.

 

Nach einem schmackhaften Mittagessen und anschließendem Kaffee (nicht ohne den obligatorischen Kuchen) geht es weiter nach Lubowitz, dem Geburtsort von Joseph Freiherr von Eichendorff, der doch tatsächlich in der Gestalt des Direktors des dortigen Museums auferstanden ist und uns romantisch schwärmend durch Gebäude und Umgebung führt.

 

Abends sind wir zu Gast bei unserer Partnergemeinde im Gemeindehaus. Niemand ist überrascht, dass wir mit Köstlichkeiten der polnischen Küche überversorgt werden, so dass wir manchen Tropfen zur Verdauung wirklich zu uns nehmen müssen. Auge und Ohr erfreut zudem eine Trachtengruppe mit regionalen Tänzen und Gesängen. Wir genießen die Gastfreundschaft unserer Freunde und sind bester Stimmung, …

 

...als mächtiges Glockengeläute zur Andacht ins Gotteshaus ruft.

Die Betergemeinde im nächtlichen Dunkel des Kirchenschiffs

nun huldigt Maria, der Retterin Polens in aller Gefahr.

Wir Gäste verstehen kein Wort, aber tief sind beeindruckt

und singen doch mit, angefacht von der Inbrunst des Volkes.

 

Anschließend sitzen wir noch mit unseren Gastgebern zu Hause bei einem Glase...bis...?

Sonntag, 05. Oktober

 

Um 09:00 Uhr feiern wir in der nahegelegenen Jakobuskirche Eucharistie – in deutscher Sprache –

mit unseren polnischen Freunden und danken für die Begegnung, die wir wieder erleben dürfen.

Anschließend treffen wir noch viele, die 2012 bei uns zu Besuch waren. Gemeinsam mit ihnen machen wir einen Bummel durch die Stadt und sehen, wie viel sich verändert hat und schöner geworden ist. Und es ist wahrlich nicht der Sonnenschein, der nur trüge.

 

Im neu eröffneten Stadtmuseum bestaunen wir die Exponate der Geschichte Ratibors. Wir erleben,

dass sich eine reizende studentische Führerin und Herr Newerla ein Duell liefern, wer denn nun die wichtigsten Informationen liefere.

 

Dass es bald darauf im Gemeindehaus schon wieder zu essen  und zu trinken gibt, und natürlich reichlich, müsste nicht unbedingt, da zur Gewohnheit geworden, erwähnt werden, leitet aber gut über zur anschließenden Abfahrt ins tschechische Grenzstädtchen Troppau. Dort führt uns Herr Newerla durch die Altstadt und erklärt uns die wichtigsten Sehenswürdigkeiten, und niemand möchte in ein Cafe...

 

In den gemütlichen Abend im Restaurant, bei dem wieder üppig gespeist und Ratiborer Bier in  verschiedensten Varianten ausgeschenkt wird, der noch einmal musikalische Darbietungen bringt,

an dem Dankesworte und Einladungen abwechseln und Hoffnungen auf ein baldiges Wiedersehen in Essen oder Ratibor ausgesprochen werden, weht ein Hauch von Abschiedsschmerz: Die schönen Tage sind einfach zu schnell verflogen. – In den gastgebenden Familien wird teilweise noch sehr lange gegen den Abschiedsschmerz angekämpft.

 

Montag, 06. Oktober

 

Für 09:00 Uhr ist die Abfahrt nach Warschau angesetzt. Sie verzögert sich, weil so viele Ratiborer mit zum Bus gekommen sind. Es gibt auch noch so viel zu sagen; alle übermitteln Wünsche und Grüße, viele umarmen sich, einige wischen sich Tränen aus den Augen, manche verstecken sie hinter einer Kamera. – Trotzdem müssen wir in den Bus steigen. Pfarrer Kurowski erteilt uns den Segen und wünscht noch gute Tage in Warschau und Posen. Schließlich drücken wir uns an den Fenstern, den Ratiborern zuzuwinken, die uns zurück winken und Tücher schwenken. – Adieu!

 

Die Fahrt nach Warschau, Nico sei Dank gesagt, klappt hervorragend. Am späten Nachmittag erreichen wir das Hotel Mercure; wir beziehen die Zimmer, machen uns frisch und können schon bald unser Abendessen einnehmen. Natürlich bedarf es wegen der vegetarischen Gerichte eines Nachhakens (so wie in jedem Restaurant), irgendetwas musste doch mal nicht plangemäß ablaufen.

 

Zu Ilse Krisams schierem Entsetzen will doch anschließend niemand mehr in die Altstadt. Das bekümmert sie sehr. – Der Abend in der Hotelbar aber zieht sich lang hin, ohne langweilig zu sein.

 

Dienstag, 07. Oktober

 

Morgens erkunden wir in mehreren Gruppen Altstadt und Neustadt, essen anschließend zu Mittag,

besichtigen das Königsschloss und erobern daraufhin auf eigene Faust die Metropole Warschau. Herrlicher Sonnenschein begleitet uns den ganzen Tag, die milden Temperaturen laden zu Spaziergängen ein, die Cafes verleiten zu Pausen und interessanten Gesprächen.

 

Am Abend fährt uns Nico zurück zum Hotel. Dort gibt es das Abendessen, allerdings wieder...ohne.

Und wieder klagt Ilse Krisam, dass es niemanden in die Altstadt zieht, sondern alle nur an die Bar.

Alles wie gehabt, doch zieht sich der Abend noch länger hin als tags zuvor...

Mittwoch, 08. Oktober

 

Morgens fährt uns Nico zum Park Wilanow, zwölf Kilometer südlich von Warschaus City gelegen.

Wir spazieren  – natürlich wieder unter tiefblauem Himmel bei herrlichstem Sonnenschein – durch das Parkgelände und besichtigen anschließend das Schloss, die Sommerresidenz der früheren polnischen Könige, oder das Plakatmuseum.

 

Zur Mittagszeit feiern wir in der im Park gelegenen Annenkirche Eucharistie und sind einfach nur dankbar für die uns geschenkten Eindrücke, Begegnungen und Erfahrungen.

 

Nach einem Mittagsimbiss geht es zurück Richtung City, und zwar zum Lazienki-Park, der an der

Südspitze der City Warschaus liegt und das schönste Freizeitparadies für die Bewohner der Stadt ist, in dem u. a. im Sommer die weltberühmten Chopin-Konzerte dargeboten werden. Unser Reiseführer wählt für die gesamte Gruppe einen etwa zweistündigen Rundgang, auf dem er uns mit den schönsten Gebäuden und lieblichsten Winkeln des Areals vertraut macht.

 

Das Abendessen nehmen wir etwas später ein, so dass es leider auch zu spät für einen Abstecher nach Warschau bei Nacht wird. – Wie lang der Abend an der Bar währt, möchte ich einmal übergehen, um  mich nicht zu wiederholen.

 

Donnerstag, 09.Oktober

 

Auf unseren Wunsch hin ein Tag zur freien Verfügung für alle.

Eine größere Gruppe folgt unter sachkundiger Führung von Petra Scharf den Spuren des früheren Warschauer Ghettos und kehrt abends tief beeindruckt von diesem Rundgang zurück.

 

Einige besuchen den Ortsteil Praga auf der östlichen Weichseluferseite, andere bleiben im Sächsischen Park unseres deutschen „ausgeliehenen“ August des Starken, und manche finden noch diese oder jene Sehenswürdigkeit. – Das Bilderbuchwetter ermöglicht jede Unternehmung; nur schade, dass die Schifffahrt auf der Weichsel im Oktober den Betrieb schon eingestellt hat.

 

Der Abend an der Bar erstreckt sich – bei bester Laune aller – bis in den frühen Morgen, können wir doch am anderen Tag auf der Fahrt nach Posen Schlaf nachholen, wenn´s notwendig werden sollte.

 

Freitag, 10. Oktober

 

Wir besteigen nach gewohnt reichhaltigem Frühstück um 09:00 Uhr den Bus zur Weiterfahrt nach Posen und kommen so zügig voran, dass wir schon vor Mittag nur noch rund 100 km von den Stadttoren von Posen entfernt sind,...

 

...und erleben einen Höhepunkt, der im Programm eigentlich gar nicht vorgesehen war: einen

Kupplungsschaden des Busses, der uns einen siebenstündigen Aufenthalt im wieder sonnigen

Polen beschert. Es ist insofern ein Höhepunkt, als die Autopanne keineswegs die Stimmung trübt.

Manche lesen auf einer Bank, viele halten ein Nickerchen im Bus (gut, dass der Abend in der Bar nicht zu früh abgebrochen wurde), einige dösen im grünen Grase des Rastplatzes, die Sportler recken und dehnen ihre steifen Glieder, alle unterhalten sich fröhlich. Nico, nachdem er Hilfe angefordert hat, kocht Kaffee, Suppe, macht Würstchen heiß und bietet reichlich Getränke an, so dass sich auch noch Spaziergänge zum WC lohnen. Keiner meckert, alle sind guter Laune, nehmen es, wie´s kommt, und lassen sich abends vom hochherrschaftlichen Luxus-Bus des Erstliga-Fußballclubs Lech Posen zum Hotel kutschieren.

 

Der Abend verläuft ganz normal, für einige sogar bis zum (nicht mehr ganz so) frühen Morgen.

Samstag, 11. Oktober

 

Wir treten die Rückreise nach Essen an.

 

Zuvor aber holen wir die Stadtführung in Posen nach und erleben ein Wunder: Eine reizende polnische Stadtführerin schafft es, in einer guten Stunde uns durch amusante, distanzierte und zugleich interessante Ausführungen für ihre Heimatstadt und deren Bewohner so zu erwärmen, dass wir kaum aus dem Lachen herauskommen und glücklich sind, diesen Programmpunkt nicht ausgelassen zu haben. – Dann heißt es auch: Ade Posen!

 

Wir fahren zurück Richtung Heimat, sind nun doch etwas schläfrig, aber überglücklich und dankbar dafür, welch attraktive und begeisternde Reise nach Ratibor, Warschau und Posen hinter uns liegt. Sie  ist uns zum Geschenk geworden.

 

Viel haben wir gesehen und erlebt. Niemand ist erkrankt oder hat sich verletzt. Die ersten Regentropfen erst kurz vor Kassel. Alles hat gepasst, sogar die Riesenpanne! – Und warum?

 

Wir wurden durch Rücksichtnahme, Hilfsbereitschaft, Freundlichkeit und Offenheit allen und allem gegenüber eine Gemeinschaft, wie sie harmonischer nicht hätte sein können. – Besser kann man es nicht sagen.